Institut für Betrachtung

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Hans-Jürgen Hafner

Kunstmärkte und Wissenslücken (zu Olav Velthuis, Art, Capital & Avant-Garde)

Schon am 11. April wurde das Gespräch „Art and Capital“ zwischen dem in Amsterdam lehrenden Soziologen Olav Velthuis und der Kunstkritikerin Sarah Lookofsky über das von der für die aktuelle Ausgabe der Berlin Biennale kuratorisch verantwortlichen Künstlergruppe DIS betriebene Online-Magazin publiziert und parallel über Facebook kommuniziert. 

Auf Facebook zum heutigen 21. Juli mit immerhin 76 Likes ausgestattet und 13mal geteilt, dürfte das Gespräch wohl vor allem für diejenigen neue Türen einrennen, die sich vor allem über Mainstreammedien und Feuilleton über den so genannten Kunstmarkt informieren. Gemessen an Methodik, Terminologie und Rechercheweise dürfte es selbst für die dort tätigen Expert_innen Neuland sein, wenn Velthuis die Idee des einen homogenen „Kunstmarkts“, der sich idiomatisch-hartnäckig selbst im informierteren Kunstsprech hält, zurückweist und stattdessen die Komplexität von Märkten betont, wie eben genau der Markt der Kunst zeigt. Seiner Meinung nach wäre es wichtig, alternative Verständnisweisen gegenüber einer hegemonialen Auffassung  von Markt geltend zu machen, die sich dem Wirtschaft und öffentliches Bewusstsein gleichermaßen prägenden Klischee eines von Angebot und Nachfrage bestimmten Marktgesetzes widersetzen oder hinter individuellen Eigeninteressen eine Ratio ausmachen.

Wem das – und es sollten angesichts der kunstsoziologisch verfügbaren Informationen und deren kunsttheoretischer Reflexion ihrer Viele sein – wie kleines Einmaleins vorkommt, dürfte allerdings spätestens dann beunruhigt sein, wenn Velthuis – befragt zum Zusammenhang von Besitzverteilung und Kunstmarkt – folgende Rechnung aufmacht: Nach der Kunstmarktdatenbank Artprice hätten im letzten Jahrvi 52 Arbeiten von Jeff Koons, dem Rankinganführer der Artprice-Top-500, 115 Millionen Euro an Auktionsergebnissen eingespielt, vier von Sergej Jensen, dem Schlusslicht des Rankings, insgesamt 256.000 Euro. Nach Velthuis Vermutung wäre das ein Anzeichen, dass die Besitzverteilung zwischen dem wohlhabenden einen und den restlichen 99 Prozent in – um noch so ein unbrauchbares Wort einzuwerfen – der Kunstwelt noch ungerechter verteilt ist, als in anderen gesellschaftlichen Feldern. Dass sich Velthuis Kunst vor allem unter den Vorzeichen ihrer Warenwerdung, ihrer Kommodifizierung anschaut, sollte gerade für Akteure im künstlerischen Feld Anreiz sein, sich mit seinen Beobachtungen zu beschäftigen – auch wenn das mit „Art and Capital“ völlig unbrauchbar betitelte Gespräch an sich kaum Überraschungen aber auch wenig Grund zur Ablehnung des Gesagten bergen dürfte. Wo die Lücken zwischen Information und Wissen bzw. zwischen Wissen und Handeln zu suchen sind, dass die Verhältnisse, beileibe nicht nur im Feld der Kunst zunehmend aussichtloser erscheinen? Vielleicht liest man davon ja mal in Welt oder Monopol oder gewinnt einen Eindruck davon auf der aktuellen Berlin Biennale.      

http://dismagazine.com/disillusioned/78737/art-and-capital/

Olaf Velthuis, Sarah Lookofsky

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