Claudia Kugler, Scroll
 
herausgegeben von Wolfgang Brauneis für das Institut für Betrachtung, mit Texten von Hans-Jürgen Hafner und Thorsten Schneider
 
Hardcover, 32x24 cm
188 Seiten, 121 Farbabbildungen, 39 Euro
IFB Publikationen, Wuppertal 2022
www.ifb-publikationen.de
 
erhältlich bei a-Musik
 
 
Pünktlich zu ihrer Einzelausstellung in der Nürnberger Galerie Sima erscheint die erste umfassende Monographie von Claudia Kugler bei IFB Publikationen. Das Buch wird im Rahmen der zweigeteilten Eröffnung bei Sima am kommenden Sonntag Nachmittag und Dienstag präsentiert. Zudem kann es online bei a-Musik in Köln bestellt werden.
 

Claudia Kugler legt mit ihrer Publikation „Scroll“ ein umfangreiches Bild- und Textbuch vor, das ihre ausschließlich am Computer entwickelten Werke seit den 2000er Jahren zusammenfasst. Die Entscheidung, den Computer zur künstlerischen Bildproduktion einzusetzen, ist für Kuglers Werk konstitutiv – und eine Seltenheit in der zeitgenössischen Kunst. Während digitale Technologien immer tiefer in die individuelle Lebensführung eingreifen, spielt der Computer in der Kunst bisher nämlich nur eine untergeordnete Rolle. Statt ihn künstlerisch etwa mit Lev Manovich als „Metamedium“ zu reflektieren, dient er auch im Kunstbetrieb vor allem als Büromaschine. Viel zu selten wird seine Tauglichkeit als Werkzeug und Medium der zeitgenössischen Kunst in Auseinandersetzung mit der langen Geschichte der Bildkunst überprüft.

Kugler beschränkt sich auf handelsübliche Geräte und Software, ohne sich dem digitalen Wettrüsten auszusetzen, das die Tech-Giganten ihren Usern mit jedem neuen Update aufzwingen. Der Künstlerin geht es darum, sich die umfassende Computerisierung des Visuellen zunutze zu machen. Gleichwohl stellt Kugler keine Medienkunst her, sondern arbeitet bewusst an einer zeitgemäßen „Bild“-Kunst. Dies schließt auch die Ausgabe der Arbeiten mit ein, die vorrangig als Druck, fotografischer C-Print oder Bewegtbild für anlassbezogene Präsentationen realisiert werden. Die direkte Begegnung mit künstlerischen Arbeiten im Display der Ausstellung, im öffentlichen Raum oder am Monitor wird immer mitgedacht. Das betrifft auch die „Werk- und Wertform“ der Arbeiten, wenn sie als Unikat oder unlimitierte Auflage kursieren.   

„Scroll“ handelt von einem gleichermaßen technischen und künstlerischen Entwicklungsprozess, der sich im Spannungsfeld von ‚angewandter‘ und ‚freier‘ Kunst entfaltet. Der Kunsthistoriker und Autor Thorsten Schneider fächert dieses Bezugssystem als essayistisches „A-B-CK“ auf. Anhand einzelner Arbeiten und Werkgruppen werden Kuglers künstlerische Verfahren und Darstellungsweisen vom animierten GIF bis zur Rauminstallation profiliert. Damit fordert die Künstlerin etablierte Kunstbegriffe und deren „genuine Visualität“ trickreich heraus. Der Autor und Ausstellungsmacher Hans-Jürgen Hafner unternimmt in seinem Essay „Kontur und Kontext“ eine zeit- und medienhistorische Einordnung des Oeuvres. Für Kugler war „der Computer nicht einfach auf wundersame Weise da (…) und alle Probleme damit gelöst.“ Vielmehr galt es „erst mal herausfinden, wozu das Gerät und seine Programme alles gut sein können, um so allerdings immer auch auf neue Probleme zu stoßen.“ Hafner zeigt, wie die Künstlerin aus solch praktischen Problemen über die letzten zwei Jahrzehnte hinweg ein künstlerisches Programm entwickelte.

Claudia Kugler (Jg. 1969) hat Grafikdesign und an der AdBK Nürnberg sowie der HFG Karlsruhe freie Kunst studiert. Sie hat zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen realisiert, darunter auch eine Reihe eigener kuratorischer Projekte. Neben ihrer künstlerischen Arbeit betreibt Kugler mit cmk.xyz ein Büro für Gestaltung in Berlin, das auch die Gestaltung von „Scroll“ übernahm.

Mit der von Wolfgang Brauneis herausgegebenen Publikation beginnt ein neues Kapitel für das Institut für Betrachtung (IFB). Die 2014 gegründete Recherche- und Vermittlungsplattform, an der neben Brauneis, Hafner und Schneider auch der Künstler Philipp Höning mitwirkt, wird mit IFB Publikationen künftig eigene Buchpublikationen sowie kunstkritische Essays vorlegen.

 
 
Allen, die in den kommenden Tagen in Nürnberg sein werden, möchten wir diese Ausstellung an's Herz legen:

Das Leben, es ist gut.
Su Jin Bae, Philipp Höning, Jonathan Lemke
Atelier- und Galeriehaus Defet, Nürnberg
12.12.21 - 15.01.22

Die Ausstellung ist Do bis Sa von 11 bis 20 Uhr geöffnet.

 
 

Mit dem Institut für Betrachtung möchten wir einen Ort zur Analyse und Vermittlung von zeitgenössischer Kunst- und Kulturproduktion im weitesten Sinne schaffen. Auch wenn die Idee zur Gründung des IFB aus der langjährigen Beschäftigung mit dem System „Bildende Kunst“ resultiert, bewegen wir uns mit unseren Projekten – sowohl im Sinne der Unterhaltung als auch der Erkenntnis – oft lateral zum gängigen Kunstbetriebsbegriff. Wir möchten mit dem Institut für Betrachtung den Versuch unternehmen eine kulturelle Praxis- und Vermittlungsform zu institutionalisieren, die sich zum einen über die Engführung von sozialer Praxis und Theorie definiert und zum anderen einen Raum jenseits von akademisch, disziplinär, ideologisch oder ökonomisch motivierten Partikularinteressen schafft. Denn mittlerweile, so scheint es uns, geht es ums Ganze. Der Zeitpunkt für die Gründung einer eigenständigen, zum Großteil privat finanzierten Einrichtung dieser Art scheint uns ein günstiger, ja überfälliger zu sein. Die traditionellen Orte der Vermittlung und Analyse befinden sich am Abgrund. Für viele Galerien, eine Handvoll Global Player ausgenommen, ist im Zuge der finanzpolitischen Erschütterungen der letzten Jahre der Raum für längerfristige Experimente oder diskursive Unterfütterungen sehr klein geworden. Der dadurch begünstigten Entwicklung, dass Kunstkritik zur diskursiven Einbahnstraße verkürzt wird, versuchen wir uns durch unsere Praxis ebenso entgegenzustellen wie dem Phänomen von professioneller Kunstreflexion als Luxusveranstaltung.

Momentan beschäftigen wir uns am IFB mit drei programmatische Schwerpunkten: Erstens interessiert uns das Verhältnis von Erzeugnissen aus dem Bereich der zeitgenössischen Bildenden Kunst im engeren Sinne und anderweitigen zeitgenössischen Produktionsmöglichkeiten und Produktionsbedingungen. Das betrifft (sub-)kulturelle Äußerungsformen ebenso wie technische Neuerungen. Sinn und Zweck dieses Abgleichs ist die Untersuchung des Zeitgenossenschaftsanspruch der zeitgenössischen Kunst des 21. Jahrhunderts. Zweitens möchten wir uns mit der Frage beschäftigen, wie und von wo aus über zeitgenössische Kunst gesprochen und geschrieben, wie also Bedeutung und Wert konstruiert wird. Das scheint uns in der von Zeitdruck und Interessenpolitik beeinträchtigten Kunstkritik zuletzt zu kurz zu gekommen zu sein. Wir werden uns die Zeit nehmen, die wir für einen zweiten Blick und ein bedächtiges Drehen des Kopfes benötigen. Und drittens wollen wir das Prinzip der Revision geltend machen. Unser archäologisches Interesse reicht zurück bis zu dem Beginn der Moderne und trägt hoffentlich dazu bei, von hegemonialer Kunstgeschichtsschreibung Vergessenes und Verschobenes ans Tageslicht zu bringen. Darüber hinaus möchten wir bislang übersehene Verknüpfungen zwischen Kunst-, Kultur- und Sozialgeschichte präsentieren.

Auf unserer Webseite veröffentlichen wir Radiosendungen und Artikel, Ausstellungs- und Buchrezensionen ("Journal") sowie eine kommentierte Linksammlung zum aktuellen Geschehen, inklusive Schlagwort- und Volltextsuche ("Tribüne"). An wechselnden Orten, unter anderem bei a-Musik in Köln, werden Vorträge, Diskussionsrunden, Filmvorführungen, Ausstellungen und salonähnliche Veranstaltungen organisiert. Das IFB soll als ein Ort dienen, an dem idealerweise Kunst in den Lebensalltag geholt und Theorie mit Praxis kurzgeschlossen werden kann. Zu diesem Zweck wird das Institut für Betrachtung auch regelmäßig auf Reisen gehen, um auch abseits der hegemonialen Zentren der Kulturproduktion und -rezeption zu agieren. Wir sind von der Idee fasziniert sowohl Angst als auch Freudlosigkeit, die beide den gegenwärtigen Kunstbetrieb prägen, hinter uns zu lassen und dazu beizutragen, dass das, was die Beschäftigung mit zeitgenössischer Kunst bedeuten kann, am Lodern gehalten wird.